Wing Chun – Kampfkunst und Selbstverteidigung

Ein Co-Therapeutisches Bewegungsangebot in der Leppermühle von Julian Steins

Die Kampfkunst Wing Chun ist ein junger chinesischer Kung Fu Stil (ca. 250 bis 300 Jahre alt), der in Europa vor allem in Deutschland in den 80iger bis 2000er Jahren einen regelrechten Boom erlebte und dort bis zum jetzigen Zeitpunkt weiterentwickelt wurde und noch weiterentwickelt wird.

Die Trainingsmethoden des Wing Chun sind vielseitig und vor allem anpassungsfähig. Damit ist auch gemeint, dass ein Mensch, der mit dem Training beginnt, keine besonderen Voraussetzungen mitbringen muss, außer Motivation.

Die Umsetzung der Techniken richtet sich nicht nach Körpergröße, Kraft und Athletik. (Wobei diese Eigenschaften natürlich immer von Vorteil sein können).

Die Techniken richten sich nach physikalischen und mathematischen Prinzipien, die individuell einstellbar sind. So lernt man unabhängig von eigener Größe und Kraft mit einwirkenden Kräften (z.B. Angriffe jeglicher Art z.B.: Fauststöße, Schubsen, Festhalten, greifen, umklammern, werfen etc.) umzugehen.

Als Co-Therapeutisches Bewegungsangebot der Leppermühle ist es nicht vorrangiges Ziel ein ganzheitliches Selbstverteidigungstraining anzubieten. Ganzheitliches (realistisches) Selbstverteidigungstraining beinhaltet immer auch Stressresistenz- und Abhärtungstraining. Doch Stress ist genau das, was unsere Bewohner:Innen nicht zur Rehabilitation benötigen und wenn, dann nur gezielt und wohl dosiert (ganz nach dem Grundsatz Fördern heißt auch fordern, aber nun mal nicht überfordern).

Dennoch wäre es vergeudetes Potenzial und ziemlich Schade nicht die positiven, selbstwert- und selbstbewusstseinssteigernden Aspekte und Methoden eines Kampfkunst- und Selbstverteidigungstrainings für unsere Klienten nutzbar zu machen. Kampfkunst ist vielseitig. Diese Form der besonderen Bewegungslehre kombiniert mit interaktionsreichen Partnerübungen bietet viele positive bewegungsorientierte und auch pädagogische Lernfelder. In der Zielsetzung des Trainings geht es nach meiner persönlichen Auffassung nicht um das Gewinnen von Kämpfen oder einem sportlichen Kräftemessen. Es geht im übertragenden Sinne um das Entwickeln einer Haltung der Lösungsorientiertheit. Es geht um das Erarbeiten einer Kompetenz, sich situationsabhängig, individuell angepasste Lösungen kreieren zu können, auf dem Fundament einer positiven Lern- und Fehlerkultur.

Im Training kann man neben den elementaren Bewegungsformen zu Situationsbeispielen (z.B.: simulierte körperliche Übergriffe und Grenzverletzungen) Lösungsansätze abarbeiten und diese kreativ weiterentwickeln. Wing Chun ist kein Sport, es ist als Handwerk und auch als Kunstform zu betrachten (Kung Fu wird oft als Synonym für „Harte Arbeit“ übersetzt nicht für harten Sport). Das bedeutet, nachdem man ein Repertoire an Bewegungsmustern und technischen Anwendungen und deren Umsetzung im Partnertraining erlernt hat, kann der Einzelne damit beginnen Wing Chun individualisiert zu benutzen. Ob als Sport, um regelorientiert Kräfte zu messen, als Selbstverteidigungsmethode, um sich selbst behaupten zu können oder als Bewegungslehre, um die eigene Gesundheit zu verbessern usw.

Kurz zu Erläuterung:

Kampfkunst – traditions- und weitestgehend regelorientiertes Training von kampforientierten Auseinandersetzungen, man kann auch sagen, eine kultivierte Form des Kräftemessens auf Grundlage eines gegenseitigen Einverständnisses.

Selbstverteidigung - Training bzw. Vorbereitung auf eine eskalierende Situation im Alltag. Die Verteidigung der eigenen Grenzen, der eigenen Gesundheit etc. gegenüber einer primitiven Form der Durchsetzung und Missachtung der Würde, ohne Regeln und ohne Kompromisse.

Ein Selbstverteidigungstraining ist vorwiegend eingegrenzt und bezieht sich auf schwierige eskalierende soziale Interaktionen.

Das Kampfkunsttraining ist facettenreicher und philosophisch übertragbar auf das gesamte Leben. Traditionell erläutern Meister einer Kampfkunst die Kampftechniken und Anwendungen anhand von Phänomenen aus der Natur und Umwelt, der Gesellschaft, der Physik und Mathematik. Zum Teil können es sehr poetische Erklärungsmuster für technische Umsetzungen sein. Zum Beispiel: „Sei wie Wasser!“ – Wasser sucht im fließenden Zustand den Weg des geringsten Widerstandes, d.h. für eine Technik vereinfacht gesagt – wird man Angegriffen, soll man um den Angreifer herumfließen und im Idealfall so einen tätigen Angriff umgehen zu können.

Neben all den kreativen Prozessen innerhalb des Trainings ist und bleibt Bewegung Hauptbestandteil des Trainings. Das heißt, das nutzvolle Nebenprodukt für unsere Bewohner:Innen ist die so lebenswichtige bzw. lebensbedeutsame Bewegung. Der Puls geht hoch, der Blutdruck steigt, der Körper wird ganzheitlich von Kopf bis Fuß in Bewegung gebracht.

Zudem besteht 75 – 80% des Trainings aus Partnerübungen, soziale Interaktion wird geübt und trainiert.

Für diejenigen der sich motivieren können, kann Kampfkunst ganz allgemein und auch umfänglich sehr bereichernd sein.

 

Julian Steins

Trainer/Kampfkunst

Leppermühle